"Die deutsche Koranliteratur" - Rezension
Die deutsche Koranliteratur : Biographie und Bibliographie / Serdar Aslan. - Köln : DITIB Verlag, 2022. - XV, 535 S. ; 25 cm. - (Edition Islamstudien ; 8). - Zugl.: Überarb. und erw. Fassung von: Frankfurt a.M., Univ., Diss., 2019 u.d.T.: Die deutsche Koranforschung von den Ursprüngen bis in die Gegenwart : eine bibliographische Untersuchung. - ISBN 978-3-946689-76-8 : EUR 29.90
[#8653]
Wenn der Verfasser der vorliegenden Biobibliographie, Serdar Aslan,[1] unter Bezug auf den Wissenschaftshistoriker Fuat Sezgin[2] in seiner Einleitung (S. 1 - 9) schreibt: „Die Bedeutung einer Bibliographie für die Wissenschaft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“ (S. 1), so verhindert das leider nicht, daß Bibliographien, die früher florierten, inzwischen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Schriftengattungen gelandet sind. Um so mehr freut sich der Rezensent, hier ein (fast) mustergültiges Produkt dieser Gattung anzeigen zu können.
Im ersten Abschnitt der Einleitung, Bisherige Bibliographien (S. 1 - 4), stellt Aslan herausragende Beispiele vor allem aus neuerer Zeit vor, von denen zwei auch in IFB besprochen worden sind,[3] und hebt dabei deren Verdienste ebenso hervor, wie er auch unübersehbare Schwächen offenlegt. Der zweite Abschnitt Vorgehen und technische Hinweise (S. 4 - 9) klärt die Frage, ob es hier um die deutsche (so der Titel) oder die deutschsprachige Koranliteratur geht. Letztlich sind beide berücksichtigt, da in den frühen Perioden natürlich auch die lateinischsprachige Koranrezeption zu berücksichtigen ist und bei den Schriftenverzeichnissen zudem Publikationen in einer Vielzahl anderer Sprachen. Verzeichnet werden nur Titel, „die einen wesentlichen Koranbezug haben“, eine Fokussierung, die deswegen möglich war, weil Aslan „weit über 30.000 Titel eingesehen“ (ebd.) hat; die Gesamtmenge ist in einer Datenbank nachgewiesen.[4] Die Gliederung in fünf historische Kapitel kann man dem Inhaltsverzeichnis[5] entnehmen. Sie bestehen aus zwei Arten von Eintragungen; 1. „Autoren, deren Schriften eine gewisse Anzahl überschreiten bzw. eine große Wirkung erzielt haben, werden unter einer eigenen Rubrik chronologisch (nach Geburts-, Sterbe- oder Werkdaten) aufgeführt“; das betrifft die eigentlichen Biobibliographien, die Informationen zum Autor unter Nennung wichtiger Schriften mit Koranbezug und ihre Einordnung in die Geschichte der Koranrezeption bieten. Darauf folgen zwei - jeweils chronologisch geordnete - Abschnitte für die Sekundär- und die Primärliteratur; ersterer hebt dankenswerterweise die Verfassernamen in Fettsatz hervor und verzeichnet ihre Schriften mit kompletten bibliographischen Angaben, während der zweite Kurztitel ohne Umfangsangaben bietet. 2. Sonstige „Autoren, die … nur einen oder einige Titel aufweisen, werden unter einem entsprechenden Zeitraum subsumiert und hierin alphabetisch angeordnet“ (S. 8). Letzteres gilt nur für Epoche VI, während diese alphabetischen Listen in den anderen sinnvollerweise am Ende hinter den Biobibliographien stehen.
Eine Biobibliographie, die für Johann Wolfgang von Goethe (S. 92 - 96), sei genauer betrachtet. Der kurze Text von einer knappen halben Seite beginnt (wie die meisten Artikel) mit der aus der Wikipedie vertrauten Formulierung „Johann Wolfgang von Goethe war ein Dichter und Literat ...“, geht aber im weiteren konkret auf seine Islam- und speziell Koran-Rezeption ein und nennt als herausragende Kennerin dieses Themas bei Goethe den Namen von Katharina Mommsen, die im Abschnitt für die Sekundärliteratur mit nicht weniger als 13 Publikationen vertreten ist. Der Rezensent stieß auf Anhieb auf eine vermutete Lücke,[6] und er könnte (um mit Karl May zu sprechen), „beim Barte des Propheten“ behaupten, daß sich noch weitere einschlägige Titel zum Thema bei der Auswertung der Goethe-Bibliographie[7] entdecken ließen. Der zweite Abschnitt für die Primärliteratur verzeichnet Titel von 1818 bis zu zwei 2017 bzw. 2018 in Istanbul erschienenen türkischen Übersetzungen des West-östlichen Divan.[8]
Der Anhang enthält Abkürzungsverzeichnisse (S. 507 - 512: Allgemeine, solche für Verlage, Vereine und Institute sowie - besonders umfangreich - für Periodika) sowie ein ausführliches Literatur- und Internetverzeichnis (S. 513 - 535).
Es handelt sich um eine gut konzipierte und sorgfältig bearbeite Biobibliographie, an der lediglich zu bemängeln ist, daß die Recherche dadurch erschwert wird, daß die Artikel innerhalb der Artikel chronologisch geordnet sind, während ein alphabetisches Register der vorgestellten Personen fehlt, so daß man allein über das Inhaltsverzeichnis nicht gezielt nach einem Namen suchen kann.
Dr. Klaus Schreiber (https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Schreiber_(Bibliothekar))
Quelle:
Informationsmittel (IFB): digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft
http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/
http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=12102
http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=12102
[1] Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE). Die Informationen Zur Person auf der dortigen Website sind eher dürftig: https://www.ezire.fau.de/person/serdar-aslan/#collapse_0 [2023-06-24; so auch für die weiteren Links]. - Mehr erfährt man in der GND unter https://d-nb.info/gnd/1257468952 : „Lebensdaten: 1988-[,] Islamischer Theologe und Gründer von islam-akademie.de; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE); Hochschulausbildung an der Universität Frankfurt (2013 Bachelor in Religionswissenschaft mit Schwerpunkt Islamische Religion und Pädagogik mit "Das Heiratsalter der Prophetenfrau ‛Ā‘iša aus ḥadīṯwissenschaftlicher und historischer Perspektive", 2015 Master in islamischer Religion mit "Die deutsche Koranrezeption - eine systematische Bibliographie der deutschsprachigen Beiträge zur Koranforschung", 2019 Promotion mit der Diss. "Die deutsche Koranforschung von den Ursprüngen bis in die Gegenwart : eine bibliographische Untersuchung"); im Alter von etwa 9 Jahren nach Deutschland eingewandert, ging in Wetzlar zur Schule. Geburtsort: Diyarbakır“ - Man könnte das somit als Fall von gelungener (wissenschaftlicher) Integration bezeichnen. In seiner Danksagung (S. VII) erwähnt er seine „Mutter ..., die mich liebevoll erzogen hat“, ebenso wie seine „Deutschlehrerin aus der Grundschule“ sowie „Menschen, die ich nicht kenne, die aber durch ihre Spenden mein Stipendium möglich gemacht haben“, und ebenso dankt er „der DITIB-Akademie … für die finanzielle und ideelle Förderung“.
[2] Vgl. dessen Bibliographie der deutschsprachigen Arabistik und Islamkunde von den Anfängen bis 1986 : nebst Literatur über die arabischen Länder der Gegenwart / hrsg. von Fuat Sezgin. In Zsarb. mit ... Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. - Frankfurt am Main : Institut ..., 1990 - 1993. - Bd. 1 - 19 ; 25 cm. - (Veröffentlichungen des Institutes für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften : Reihe A, Texte und Studien ; 3). - Preis nicht mitgeteilt. - (Institut ..., Beethovenstr. 32, 60325 Frankfurt) [1958]. - Rez.: IFB 94-3/4-548
https://www2.bsz-bw.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/94_0548.html
[3] Umm al-kitâb : ein kommentiertes Verzeichnis deutschsprachiger Koran-Ausgaben von 1543 bis 2013 ; 470 Jahre europäisch-abendländische Koran-Rezeption / Michael Fisch. - 1. Aufl. - Berlin ; Tübingen : Schiler, 2013. - 180 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 978-3-89930-319-3 : EUR 39.90 [#3740]. - Rez.: IFB 14-3 http://ifb.bsz-bw.de/bsz378534386rez-1.pdf - Interkulturelle Koran-Bibliographie : [Koranübersetzungen, Koranstudien] / zsgest. und hrsg. von Ramin Khanbagi. - Nordhausen : Bautz, 2014. - 997 S. ; 26 cm. - ISBN 978-3-88309-900-2 : EUR 150.00 [#3739]. - Rez.: IFB 14-3 http://ifb.bsz-bw.de/bsz408653353rez-1.pdf
[4] https://www.islam-akademie.de/ bzw.
https://islam-akademie.de/index.php/bibliographie-terminologie
[5] https://d-nb.info/1255716606/04
[6] Evtl. ist diese aber der engen Begrenzung auf Publikationen mit Koran-Bezug geschuldet: "Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen" : Goethe und die Weltkulturen / Katharina Mommsen. - Göttingen : Wallstein-Verlag, 2012. - 476 S. : Ill. ; 24 cm. - (Schriften der Goethe-Gesellschaft ; 75). - ISBN 978-3-8353-1000-1 : EUR 28.00 [#2742]. - IFB 14-2 http://ifb.bsz-bw.de/bsz369981022rez-1.pdf
[7] Goethe-Bibliographie 1950 - 1990 / von Siegfried Seifert. Unter Mitarb. von Rosel Gutsell und Hans-Jürgen Malles. Stiftung Weimarer Klassik. - München : Saur, 2000 [ersch. 1999]. - Bd. 1 - 3. - XXIII, 1565 S. ; 31 cm. - ISBN 3-598-11286-6 : DM 780.00, DM 630.00 (Subskr.-Pr. bis 31.12.99) [5830]. - Rez.: IFB 00-1/4-177 https://www2.bsz-bw.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/00_0177.html
[8] Der KVK weist diese keineswegs für alle deutschen Spezialbibliotheken (so insbesondere die in Weimar) nach, kennt aber andererseits auch Übersetzungen, die in unserer Bibliographie fehlen.
- Erstellt am .
- Gelesen: 1878
Kommentare powered by CComment