II. Einführung in die Metapher

[2/1: Programm des Buches: Analyse der dichterischen Motive, Aufzeigung der Wertunterschiede in der Rede]

Nun wisse: Der Zweck, auf den die hier zum ersten Male gebotene Darlegung und die hier vollzogene Grundlegung abzielt, ist der, zu einer klaren Darstellung zu gelangen über die (in der künstlerischen Rede geformten) Gedankenmotive, wie zwischen ihnen Gegensatz und Übereinstimmung zustande kommt, woher es kommt, dass sie sich zusammenfinden und trennen. Ich will ihre Gattungen und Arten im Einzelnen darlegen, den besonderen und den allbekannten nachgehen und den hohen Rang klarlegen, welcher ihnen im Verhältnis zum (denkenden) Verstand zukommt, den Grad der Festigkeit, mit dem sie der Herkunft nach mit ihm verbunden sind: ob sie bei der Herleitung von ihm sich als nahe oder als entfernte Verwandte erweisen, bzw. ob sie (in Beziehung) zu ihm wie ein Eidgenosse zu betrachten sind, der wie ein wirklicher Verwandter behandelt wird, oder wie ein Eindringling, der sich an die Leute eines Stammes anhängt, ohne von ihnen angenommen zu werden, so dass sie sich um seinetwillen weder ereifern noch ihn zu verteidigen bereit sind. Und ich will zeigen, dass es eine Art der Rede gibt, welche so, wie sie ist, in ihrer Substanz, edel ist wie reines Gold, das wohl in verschiedene Formen eingehen und immer neuer künstlicher Bearbeitung unterworfen werden kann, dessen eigentlicher Adelstitel aber in ihm selber liegt, wenn auch die Formung seinen Wert steigern und seinen Rang erhöhen kann, während es daneben eine andere Art gibt, welche jenen merkwürdigen Artefakten aus unedlen Stoffen gleicht, die, solange die Formung, welche sie durch künstliche Bearbeitung bekommen haben, unzerstört erhalten bleibt, wohl hoch im Preise stehen und geschätzt, begehrt und bewundert werden, welche aber, wenn die treulose Zeit ihre Besitzer mit ihnen betrügt, und der Lauf der Geschehnisse, ihre Herren schädigend, unversehens etwas geschehen lässt, was sie der durch die Kunst erworbenen Schönheit, des ihnen nur wie ein vorübergehendes Akzidenz zugekommenen Glanzes, beraubt und nichts mehr übrig lässt als die formlose Materie und den gestaltlosen Urstoff, ihren Wert verlieren und im Ränge sinken, so dass die frühere Begierde nach ihnen sich in Verzicht verwandelt, und die Augen, die früher begehrlich nach ihnen hinblickten, sich ganz und gar von ihnen abwenden. Ein solcher Gegenstand gleicht dann einem Menschen, dem das Glück eine begünstigte Stellung verschafft hat, ohne dass dieser Begünstigung wirkliche Vorzüge bei ihm selbst entsprächen, und den ein günstiges Geschick befördert hat, ohne dass ein innerer Grund zu dieser Beförderung berechtigte, bis das Schicksal, aus seinem Schlummer erwacht und seines Irrtums inne geworden, ihn in die Dürftigkeit seines Ursprungs mit seinem Mangel an echten Verdiensten zurückstößt. - Ein solches Ziel aber kann richtig nur erreicht, und eine solche Aufgabe kann gehörig nur gelöst werden, nachdem zuvor gewisse Voruntersuchungen angestellt und bestimmte Grundlagen gelegt sind, und nachdem gleichsam das Handwerkszeug zusammengebracht worden ist, und Erörterungen gepflogen worden sind, die sozusagen eine uns vom Ziel trennende Wegstrecke darstellen, die zuvor mit dem Denken durchlaufen und durchmessen werden muss.

[2/2: Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung von Vergleich, Gleichnis und Metapher. Kritik der Vorgänger]

Das erste und dringlichste, was einer gründlichen und erschöpfenden Betrachtung unterzogen werden muss, sind die Begriffe Vergleich (tašbīh), Gleichnis (tamṯīl) und Metapher (istiʻāra). Denn diese sind die großen Wurzeln, aus denen die meisten Schönheiten der Rede, um nicht zu sagen alle, entspringen und von denen sie sich herleiten. Sie sind gleichsam die Pole, um welche sich die (poetischen) Gedanken (maʻānī) innerhalb ihres Spielraumes drehen, die Achsen, um die sie von allen Seiten herumgelagert sind. - Und wer der Sache auf den Grund gehen will, wird sich nicht damit zufrieden geben, lediglich Beispiele anzuführen oder analoge Fälle aufzuzählen - wie wenn z. B. gesagt wird: Eine Metapher ist, wenn man sagt: Al-fikru muḫḫ l-ʻamal „Das Nachdenken ist das Mark des Handelns“[1], oder wenn der Dichter sagt:

(Ṣaḥā l-qalbu ʻan Salmā wa-aqṣara bāṭiluh)

wa-ʻurriya afrāsu ṣ-ṣibā wa-rawāḥiluh[2]

„(Das Herz ist von dem Rausch um Selmā freigeworden, und seine Torheit hat nachgelassen,) und abgeschirrt sind Rosse und Reitkamele der Jugendleidenschaft“,

oder wenn einer sagt: As-safaru mīzānu s-safr „Die Reise ist die Waage (der Prüfstein) für die Reisegenossen“, oder wie jener Beduine sagte: Kānū iḏā ṣṭaffū safarat bainahumu s-sihām / wa-iḏā taṣāfaḥū bis-suyūfi faǧara l-ḥimām[3] „Wenn sie sich in Schlachtreihe aufstellten, dann reisten zwischen ihnen die Pfeile, und wenn sie sich den Handschlag mit den Schwertern gaben, dann sperrte der Tod den Rachen auf“, oder wenn gesagt wird:

Das Gleichnis ist wie der Vers:

Fa-innaka kal-laili llaḏī huwa mudrikī

(wa-in ḫiltu anna l-muntahā ʻanka wāsiʻu)[4]

„Du bist wie die Nacht, die mich doch erreicht, (mag ich auch wähnen, der Raum sei weit, wohin ich vor dir fliehen könnte)“,

- (wird sich nicht damit zufrieden geben, sage ich), Beispiele anzuführen, welche, wenn man die Dinge näher prüft, sich zwar unter einem allgemeinen Namen zusammenfassen lassen, von denen aber doch jedes sich durch eine Besonderheit auszeichnet, welche nicht zu bemerken ein Zeichen von geringem Eifer zur Erforschung der Wahrheit, mangelnder Kraft zur Untersuchung feinerer Einzelheiten und fehlender Neigung zur Erkenntnis subtilerer Dinge ist. Man begnügt sich dann mit Allgemeinheiten und Dingen, die an der Oberfläche liegen, und zieht es vor, den Geist lieber nicht auf lange Reisen zu schicken, und - weiß der Himmel! - das ist bequemer und macht weniger Arbeit! Nur, dass das Streben nach Bequemlichkeit gar oft nachher nur um so größere Beschwerlichkeit zur Folge hat, und die Entscheidung für das weniger Mühsame mitunter erst recht Mühseligkeiten heraufbeschwört. Denn es gibt Dinge, die bei summarischer Betrachtung zusammengehen, bei einer Untersuchung im Einzelnen aber auseinanderstreben, die im Grundstamm wohl vereinigt sind, aber dann, durch Verzweigung, sich in lauter Untergruppen aufspalten. Wer dann nicht weiß, wo die Linien zusammenlaufen und wo sie sich trennen, und dann sein Urteil abgeben soll, der befindet sich - wenn es sich um einen Durchschnittsfall handelt (?) - in der Lage eines Mannes, der entscheiden will, welcher von zwei Männern von höherem Ehrenrang, edlerer Abkunft und älterem Adel ist, um zu sehen, welcher von beiden besseren Anspruch auf Herrschaft, größeres Recht auf Ruhmestitel und sicherer begründeten Adelsruhm besitzt, und doch von ihrer Ahnenreihe niemanden kennt als den Stammvater und Urahn, etwa, dass sie beide Quraišiten oder Tamīmiten sind, und dann ebenso unfähig ist, einen bestimmten Spruch über sie zu fällen und ihre Vorzüge und Mängel in Bezug auf ihre Abstammung anzugeben, als wie wenn er von ihnen nicht mehr wüsste, als dass jeder von beiden ein Adamssohn oder ein von Gott gebildetes Geschöpf ist.

[2/3: Reihenfolge der geplanten Erörterungen]

Und wisse: Das normalerweise Gegebene und das Nächstliegende wäre es nun sicherlich, mit einer Erörterung der Begriffe eigentliche (veritative) Bedeutung (ḥaqīqa) und Tropus (maǧāz) zu beginnen, darauf die Erörterung des Vergleichs (tašbīh) und des Gleichnisses (tamtīl) folgen zu lassen, und daran die Behandlung der Metapher (istiʻāra) anzuschließen. Denn der Tropus ist gegenüber der Metapher der allgemeinere Begriff, und das Allgemeine sollte in der Stufenleiter stets vor dem Besonderen behandelt werden; und wiederum ist die Metapher gegenüber dem Vergleich, der gleichsam ihre Grundlage bildet, in gewisser Hinsicht das Abgeleitete oder eine aus ihr entwickelte Form. Es gibt jedoch gewisse Momente, die uns nötigen, mit einer vorläufigen Erörterung der Metapher zu beginnen und zu zeigen, nach welchem Prinzip sie sich unterteilt. Wenn dann eine erste Übersicht über ihr Wesen und den Umfang des von ihr beherrschten Gebietes gewonnen ist, werden wir die Betrachtung zu den beiden anderen Lehrstücken zurücklenken, ihnen ihr volles Recht zukommen lassen und die Unterschiede zwischen ihnen deutlich machen. Zum Schluss werden wir uns dann aufs Neue der Metapher zuwenden und die Untersuchung über sie erschöpfend zu Ende führen.

[2/4: Erste Behandlung der Metapher: Die nichts ausdrückende Metapher als freie Verwendung von Synonymen an eigentlich nicht passender Stelle]

Wisse: Die Metapher, allgemein gesprochen, besteht darin, dass ein Wort, welches in der sprachlichen Urprägung eine bekannte Grundbedeutung hat, die als die ursprünglich dafür festgesetzte durch literarische Zeugnisse ausgewiesen ist, von einem Dichter oder Nichtdichter für etwas anderes als das ursprünglich damit Bezeichnete verwendet und vorübergehend auf etwas anderes übertragen wird, so dass es dort gleichsam als entlehntes Gut erscheint.

Sie zerfällt zunächst in zwei Arten. Die eine Art ist die, bei der die Übertragung etwas (Neues) ausdrückt, die zweite die, bei der sie nichts (Neues) ausdrückt. Ich beginne mit der nichts (Neues) ausdrückenden Art, weil deren Bedeutung gering und ihr Anwendungsbereich sehr beschränkt ist; dann komme ich auf die etwas (Neues) ausdrückende Art zu sprechen, welche den eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchung bilden wird.

Die Metapher, bei der die Übertragung nichts aussagt, hat da ihre Stelle, wo die Urbenennung eines Dinges mit einem Namen von dem Streben geleitet war, eine möglichst große Fülle von Wortprägungen zu schaffen und die Berücksichtigung kleinster synonymischer Unterschiede in den bedeuteten Gegenständen möglichst weit zu treiben; so wie man für ein und dasselbe Körperglied viele Namen geprägt hat entsprechend den verschiedenen Gattungen von lebenden Wesen. So wurde z. b. šafa für die Lippe des Menschen, mišfar für die des Kameles und ǧahfala für die des Pferdes geprägt, und was dergleichen synonymische Unterschiede mehr sind, von denen sich manche auch in anderen Sprachen als der arabischen finden, manche nicht. Wenn nun ein Dichter einen solchen Ausdruck für eine andere Gattung braucht, als es in der Urprägung vorgesehen ist, so entlehnt er ihn von jener, nimmt ihn fort von dem ursprünglich damit Gemeinten und lässt ihn seinen ursprünglichen Geltungsbereich überschreiten. So, wenn ʻAǧǧāǧ sagt:

(Azmāna abdat wāḍiḥan mufallaǧa…

Wa-muqlatan wa-ḥāǧiban muzaǧǧaǧā)        Wa-fāḥiman wa-marsinan musarraǧā[5]

„(Dann, wenn sie (die schöne Frau) blitzende, schön auseinanderstehende Zähne sehen lässt… / und ein Auge mit lang und spitz ausgezogener Augenbraue) / und schwarzes Haar und ein hellleuchtendes Schnäuzchen.“

Er meint eine Nase, die leuchtet wie eine Lampe; das Wort, welches er für „Nase“ gebraucht (marsin), bedeutet aber eigentlich die Schnauze des Tieres als den Ort, wo der Leitstrick (rasan) befestigt wird.

Ein anderer beschreibt Kamele (beim Trinken):

Tasmaʻu lil-māʼi ka-ṣauti l-misḥali   Baina warīdaihā wa-baina l-ǧaḥfali[6]

„Du hörst von dem Wasser zwischen ihren Halsadern und Lefzen ein Geräusch wie das Röcheln des Wildesels.“

Er gibt also den Kamelen ǧahāfil (Lippen), während das Wort nur bei Huftieren gebraucht wird.

Ein anderer sagt (bei der Beschreibung von Kamelen, die abends von der Tränke, schwerwandelnd, mit ihren Jungen heimkehren):

Fa-ṣadarat baʻda l-aṣīli l-muʼṣili                  Tamšī mina r-riddati mašya l-ḥuffali

Mašya r-rawāya bil-mazādi l-aṭqali              Yarfulna baina l-adami l-muʻaddali)

Wal-ḥašwu min ḥaffānihā kal-ḥanẓali           (Yuṯīru ṣaifīya ẓ-ẓibāʼi l-ġuffali)[7]

„(Und sie kamen zurück vom Wasser, als der Abend dunkelte / von der Spättränke, wandelnd, wie es von Milch schwere Tiere tun, / wandelnd wie wassertragende Kamele mit gewichtigen Wasserschläuchen, / die einherschwanken zwischen den gleichmäßig verteilten (gefüllten) Häuten.) / Das junge Getier aber, ihre Küken, prall wie Koloquinthen, / (scheucht auf im Spätsommer geborene Gazellen, nichts Ahnende).“

Er verwendet also das Wort ḥaffān, das eigentlich die Straußenküken bezeichnet, für die jungen Kamele. - Ein anderer sagt:

Fa-bitnā ǧulūsan ladā muhrinā         munazziʻu min šafataihi ṣ-ṣufārā[8]

„Und wir verbrachten die Nacht damit, bei unserm Füllen zu sitzen und ihm die Strohreste aus den Lippen zu ziehen.“

Hier braucht er das Wort „Lippe“ (šafa) für das Pferd, während es doch für den Menschen geprägt ist. Dergleichen Anwendungen der Worte bieten dir nichts (Neues), was dir bei Beibehaltung der normalen Ausdrucksweise entgehen würde; es macht für den Sinn keinen Unterschied, ob er von den „Lippen“ (šafataihi) des Pferdes oder ob er von dessen „Lefzen“ (ǧaḥfalataihi) reden würde; beide Worte liefern dir nur den gleichen Körperteil und weiter nichts. Ja, man könnte sagen, dass die Metapher hier die Aussage sogar beeinträchtigt. Denn wenn du den Gedanken an eine eventuelle, durch die Metapher bedingte Mehrdeutigkeit des Wortes von dir fernhältst, so deutet das Wort, wenn es ausgesprochen wird, sowohl auf den Körperteil als auf dessen Träger; wenn du also von Lippe (šafa) redest, so deutet das Wort zugleich auf den Menschen, d. h. es besagt, dass du diesen Körperteil beim Menschen und keinem anderen Lebewesen meinst; rechnest du aber mit einem metaphorischen Gebrauch des Wortes, so verschwindet diese mitbedeutende Kraft, weil das eigentlich nur einen besonderen Gegenstand bezeichnende Wort nun mehrere bezeichnen kann. Wenn du dann das Wort „Lippe“ in einem Zusammenhang brauchst, wo sowohl von Menschen als von Pferden die Rede ist, so wird der Hörer in einen gewissen Zweifel versetzt, weil er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass du das Wort im übertragenen Sinne auf das Pferd anwendest, während, wenn wir annähmen, dass dieser metaphorische Gebrauch nicht vorhanden und ausgeschlossen wäre, ein derartiger Zweifel für den Hörer nicht aufkommen könnte. Das merke dir!

[2/5: Die etwas ausdrückende Metapher: Erste Definition]

Was nun die etwas (Neues) aussagende Art der Metapher anlangt, so erscheint bei ihr wirklich ein Gewinn, ein (neuer) Sinninhalt und Ausdruckswort, welcher dir ohne diese Metapher nicht zuwüchse. Dieser Sinnzuwachs, dieser Aussagewert besteht im Vergleich. Nun sind freilich die Wege des Vergleiches von schier unendlicher Mannigfaltigkeit, und seine Spielarten verzweigen sich gar ins Uferlose, so dass man ihm nur mit einer großen Anzahl von Kapiteln und fortschreitenden Unterteilungen gerecht werden kann. Ich will mich daher hier auf eine Andeutung beschränken, welche die Form dieser Art der Metapher in den Hauptlinien soweit bekannt macht, dass du sie ihrem Gegensatz, der nichts aussagenden Art der Metapher, gegenübergestellt siehst und dadurch eine klare Vorstellung von dem, was wir meinen und sagen wollen, gewinnst; denn die Dinge gewinnen an Klarheit durch ihre Gegensätze.

Nehmen wir ein Beispiel: Wenn du sagst: „Ich sah einen Löwen“ und damit einen tapferen Mann meinst, oder: „ein Meer“ und damit einen freigebigen Mann, oder: „einen vollen Mond“ oder „eine Sonne“ und damit einen Menschen mit leuchtendem, strahlendem Angesicht meinst, oder wenn du sagst: „Ich habe ein Schwert gegen den Feind gezückt“ und meinst damit einen Mann, der dir entscheidend zum Siege verhilft, oder einen wirksamen Operationsplan und dergleichen, so entlehnst du den Namen des Löwen für den Mann, und es ist zugleich klar, dass du mit dieser Entlehnung (Metapher) etwas ausgedrückt hast, was du ohne sie nicht haben konntest, nämlich die Intensivierung (mubālaġa, Hyperbel, das Steigern, möglichst weit treiben) der Charakterisierung des betreffenden Mannes als tapfer, wobei du in der Seele des Hörers das Bild des Löwen entstehen lassest mit all seinem wilden Ansturm, seinem Draufgängertum, seiner Kühnheit, seiner Kraft und allen sonstigen in seiner Natur liegenden Eigenschaften, die auf den Mut zurückgehen. Ebenso drückst du mit der Metapher „Meer“ die weit ausgedehnte Freigebigkeit des Mannes, das Überströmen seiner Hand (mit Gaben) aus, und mit der „Sonne“ und dem „vollen Mond“ die Pracht und den Glanz, welche diesen Gestirnen eigen sind, und ihre Schönheit, welche die Augen füllt und die Blicke blendet.

[2:6-7: Nachtrag: Verschiedenheit der Übersetzung in anderen Sprachen bei beiden Arten der Metapher. Echte Metapher ist nicht nur auf das Arabische beschränkt]

Nachdem du nun durch die Vorführung dieser Beispiele für die etwas aussagende Metapher den Unterschied zwischen dieser Art und der ersten, nichts aussagenden, in den Hauptzügen kennengelernt hast, will ich nun noch etwas nachtragen, was im Zusammenhang mit der ersten Art, nämlich der nichts aussagenden, noch zu sagen blieb, und mich dann den verschiedenen Arten und Unterarten der etwas aussagenden Metapher und dem, was damit zusammenhängt und zu den Künsten des Wortes gehört, zuwenden - mit Gottes Beistand: Ihn bitte ich um Hilfe und bekenne, dass nicht ich, sondern Er allein Kraft und Macht besitzt, und ich flehe zu Ihm, dass Er uns bei allem, was wir tun und lassen, hinführen möge zu dem, was Ihm wohlgefällt, und ablenken möge von allem, was uns Seinen Zorn zuziehen würde.

Wisse: Wenn es feststeht, dass der spezielle Gebrauch des Wortes „Schnauze (Schnäuzchen)“ (marsin) bei Nicht-Menschen nichts anderes ausdrückt als das Wort „Nase“ (anf) beim Menschen - nämlich die Unterscheidung dieses Körperteils von anderen - und du durch seine Entlehnung für den Menschen nichts ausdrückst, was du nicht durch das Wort „Nase“ ausdrücken könntest, so ist es nicht denkbar, dass dies eine den Sinn betreffende Metapher sei. Wenn aber dieser Sprachgebrauch nur eine Angelegenheit des Wortes (der Vokabel) ist, so kann es ihn nicht in einer anderen Sprache als der arabischen geben. Sollte es in dem Wortschatz der persischen Sprache eine ähnliche synonymische Differenzierung geben, und sollten dann die Perser ein solches Wort von der Gattung, zu der es gehört, auf eine andere Gattung übertragen, so würden sie in ihrer Sprache dasselbe tun, was die Araber in der ihrigen tun. Ganz anders liegt der Fall bei der etwas ausdrückenden Metapher. Denn diese kommt sehr häufig vor in Ausdrucksweisen, die mehreren Völkern gemeinsam und in allen Sprachen gebräuchlich sind. Denn der Ausdruck: „Ich sah einen Löwen“ - wenn man einen Mann als tapfer charakterisieren und, steigernd, mit dem Löwen vergleichen will - findet sich in gleicher Weise bei Arabern und Nichtarabern, und man kann ihn bei allen Völkern antreffen und von jedem Volksstamm hören. Dasselbe gilt, wenn wir den Vergleich manifest machen und sagen: „Zaid ist wie ein Löwe“. Es lässt sich nicht behaupten, dass wir, wenn wir diese Art von Metapher anwenden, eine gedankliche Methode angewendet hätten, die niemand kannte außer den Arabern, oder die bei anderen Völkern nicht vorkäme. Denn das wäre so gut, wie wenn man behaupten wollte, dass die Bildung eines Satzes aus zwei Nomina oder aus Verbum und Nomen der arabischen Sprache allein eigentümlich sei, und dass die Dinge, welche über die Arten des Prädikats und dergleichen gelehrt werden, nur bei der arabischen Sprache denkbar wären, was offenbar verkehrt ist.

Und wenn man hier von Tropus redet[9] und diese Art der Metapher dazu rechnen will, so soll man (wenigstens) von Tropen aller vernünftigen Menschen sprechen und nicht ein Wort gebrauchen, das den Eindruck erweckt, als handele es sich hier um einen Sprachgebrauch und um Ausdrucksmethoden, welche dieser bestimmten Sprache eigentümlich sind, so wie man (mit recht) von (wirklichen) Sonderregeln der arabischen Sprache redet, als da sind Flexion durch Endvokale, Triptota und Diptota, Gebrauch des Infinitivs anstelle des aktiven Partizips wie raǧulun ṣaumun „ein fastender Mann“, oder ḍaifun „ein Gast“, mehrfache Pluralbildung des Nomens, wie der gesunde und der gebrochene Plural, der Plural vom Plural und die Bildung mehrerer gebrochener Plurale von einem Nomen, wie farḫ „Küchel“, afruḫ, firāḫ und furūḫ, Geschlechtsunterschied in der Anredeform und allen Pronomina und dergleichen. Die Nichtbeachtung dieses Punktes und die nachlässige Verwendung von Ausdrücken hat zur Folge gehabt, dass manche Leute irrtümlicherweise Dinge, die hierher gehören, unter der Kategorie des literarischen Diebstahls und der Übernahme fremden Gedankengutes behandelt und sogar als Fehler angekreidet haben, während es doch am Tage liegt, dass es sich um allgemein übliche Gedankenmotive und um Gemeinbesitz handelt, bei dem der Araber nichts vor dem Nichtaraber voraus hat, und die keinem Volke ausschließlich angehören. Wir werden davon, so Gott will, noch angehöriger Stelle reden und hoffen, dass Gott in Seiner Gnade und Güte uns das Gelingen dazu schenken wird.

Wenn ein Übersetzer der Worte des Dichters:

Wa-illā n-naʻāma wa-ḥaffānahū[10]

„Und (nichts regte sich) außer dem Strauß und seinen Küken“

das Wort ḥaffān „Straußenküken“ durch ein für mehrere Arten (von Nachkommen) passenden Ausdruck, wie „Kinder“ oder „Junge“, wiedergeben wollte, weil er in der Sprache, in die er übersetzt, kein besonderes Wort dafür findet, so würde er vollkommen treffend übersetzen und den Satz getreu wiedergeben. Wenn er aber den Satz: „Ich sah einen Löwen“ im Sinne von: „einen tapferen Mann“ mit Ausdrücken übersetzte, die dem Arabischen „einen Tapferen, Starken“ entsprechen, und das in der betreffenden Sprache für „Löwe“ übliche Wort nicht einsetzte, so würde er den Satz nicht übersetzt, sondern einen neuen von sich aus gebildet haben. - Die Betrachtung der Dinge unter diesem Gesichtspunkt (der Übersetzung) sollte man übrigens in Acht behalten; denn man kann sie immer wieder brauchen, und vielleicht werden wir noch einmal ausführlicher darauf zurückkommen.

[2/8: Grenzfälle der ersten Art der Metapher, die in die zweite Art hinüberspielen; Übertragung vom Tier auf den Menschen, Vermenschlichung unvernünftiger Wesen]

Nun wisse: Manchmal findest du mit den Fällen der ersten Kategorie, also der reinen Vokabelmetapher, vermischt und ihr zugerechnet solche, die, wenn man sie näher betrachtet, in die zweite Art, die gedankliche Metapher hinüberspielen und deren Wege gehen. So z. B., wenn die Araber sagen: Innahū la-ġalīẓu l-ǧahāfil „Er hat wahrlich dicke Pferdelippen“ und: ġalīẓu l-mašāfir „er hat dicke Kamelslefzen“. Solche Ausdrücke werden nämlich da gebraucht, wo man jemanden herabsetzen will. Es ist, als ob man sagen wollte: „Er hat Lippen so dick wie ein Kamel oder ein Pferd“. Von dieser Art ist der Vers des Farazdaq:

Fa-lau kunta   abbīyan ʻarafta qarābatī        wa-lākinnda zinǧiyyan ġalīẓa l-mašāfiri[11]

„Wenn du zum Stamm der Ḍabba gehörtest, so würdest du meine Verwandtschaft kennen, aber ein Neger mit dicken Kamelslippen…?“

Diese Worte enthalten den Sinn: „Aber ein Neger, der aussieht wie ein Kamel, kennt mich (natürlich) nicht und hat keine Ahnung von meinem Ehrenrang.“ - Das Gleiche hat zu gelten für den Ausdruck anšaba fīhi maḫālibah „Er schlug seine Krallen hinein“; denn der Sinn dieses Ausdrucks beruht darauf, dass dem Betreffenden eine Art, sich an die Sache festzuheften und sich ihrer zu bemächtigen, zugeschrieben wird, wie sie dem Löwen beim Packen seines Opfers und dem Falken beim Schlagen seiner Beute eigen ist. Und wenn Ḥuṭaiʼa sagt:

Qarau ǧāraka l-ʻaimāna lammā ǧafautahū

Wa-qallaṣa ʻan bardi š-šarābi mašāfiruh

(Sanāman wa-maḥḍan anbatā l-laḥma fa-ktasat

ʻiẓāmu mriʼin mā kāna yašbaʻu ṭāʼiruh)[12]

„Sie bewirteten deinen milchdurstigen Schutzgast, als du ihn schlecht behandeltest, und von dem kalten Trank sich seine Kamelslippen zusammenzogen, / (mit Kamelshöcker und Vollmilch, die das Fleisch wachsen ließen, so dass sich die Knochen eines Mannes wieder (mit Fleisch) bekleideten, an dem sich vorher kein Vogel hätte satt essen können)“,

so handelt es sich auch da, wenn man der Sache auf den Grund geht, um eine Metapher des Gedankens. Denn wenn auch der Dichter mit dem Schutzgast sich selber meint, so kann er doch sehr wohl die Absicht gehabt haben, sich selbst in jämmerlicher Verfassung darzustellen und sich selber gewisse Mängel beizulegen, um dadurch seinen höhnischen Angriff auf den Zibriqān noch bissiger zu machen und dem Vorwurf, dass er den Gast verkommen lasse, ihn fortjage und der Not und dem Elend preisgebe, noch größeres Gewicht zu verleihen. - Und nicht weit entfernt von dieser Art ist jene andere, bei welcher der Dichter sein Gedicht damit beginnt, dass er sich selber herabsetzt und dabei so weit geht, dass er sein Gesicht nicht etwa nur in Andeutungen und Anspielungen, sondern mit offenen Worten als abscheulich und hässlich schildert. – Zu dem Verse des Muzarrid:

Fa-mā raqada l-wildānu ḥattā raʼaitahū ʻalā l-bakrī yamrīhi bi-sāqin wa-ḥāfiri[13]

„Und noch waren die Knaben nicht eingeschlafen, als man ihn auf dem jungen Kamele sah, wie er es mit Schenkel und Huf zum Laufen antrieb“,

hat man bemerkt, dass der Dichter eigentlich hätte sagen wollen: bi-sāqin wa-qadami „mit Schenkel und Fuß“, dass ihn aber der Reimzwang genötigt habe, statt „Fuß“ „Huf“ zu sagen; aber wenn auch aus dem Folgenden hervorgeht, dass der Dichter von dem Gaste Gutes sagen will und weit entfernt davon ist, ihn verspotten oder verächtlich machen zu wollen – ich meine die Stelle, wo er sagt:

Fa-qultu lahū ahlan wa-sahlan wa-marḥaban

bi-hāḏā l-muḥayyā min muḥayyin wa-zāʼiri

„Ich sprach zu ihm: Willkommen und nochmals Willkommen diesem Antlitz eines Grüßenden und Besuchers!“ -,

so liegt der Gedanke doch nicht allzufern, dass hier doch etwas hineinspielt von dem oben Gesagten, und dass der Dichter durch den Ausdruck „Huf“ statt „Fuß“ den heruntergekommenen Zustand hat beschreiben wollen, in dem der Mann sich bei seinem Reisen, von einer Gegend der Erde der anderen zugeworfen, befindet, und dass er zu gesteigertem Ausdruck bringen will, wie heftig jener darauf aus ist, sein junges Kamel in Gang zu setzen, und wie er alle Anstrengungen macht, um auf seiner Reise vorwärts zu kommen. Diese Auffassung wird auch nahegelegt durch die vorhergehenden Verse:

Wa-ašʻaṯa mustarḫī l-ʻalābiyyi ṭauwaḥat      bihī l-arḍu min bādin ʻarīḍin wa-ḥāḍiri

Fa-abṣara nārī wa-hya šaqrāʼu ūqidat         bi-ʻalyāʼi našzin lil-ʻuyūni n-nawāẓiri

„Welch ein (Gast) mit staubigem, wüstem Haar und erschlafften Nackensehnen, den die Erde, die breite Wüste wie das besiedelte Land, hierhin und dorthin geschleudert hatten! / Der sah mein rotes Feuer, das angezündet war auf dem Gipfel eines Hügels für die spähenden Augen“,

worauf dann der Vers folgt: „Und noch waren die Knaben nicht eingeschlafen usw.“ Wenn er ihm hier wüstes Haar und erschlaffte „Nackensehnen“ (welch letzteres Wort nur für Tiere gebraucht wird) zuschreibt, so fehlt nicht mehr viel dazu, auch seinen Fuß als „Huf“ zu bezeichnen, um die Härte und Heftigkeit, mit der sein Fuß an die Weiche des jungen Kamels schlägt, recht eindringlich zur Anschauung zu bringen. - Ebenso gehört auch der Vers:

Sa-amnaʻuhā au saufa aǧʻalu amrahā          ilā malikin aẓlāfuhū lam tašaqqaqi[14]

„Ich werde sie (die Kamele) nicht herausgeben oder werde über die entscheiden lassen einen König, dessen Klauen nicht gespalten sind“,

in das Gebiet des Vergleichs und der Metapher; denn der Sinn beruht darauf, dass der König über die Ähnlichkeit mit einem Menschen, dessen Klauen gespalten sind, erhaben ist. Es ist, als ob der Dichter sagte: „Ich werde über sie entscheiden lassen einen König, nicht einen rohen Sklaven mit gespaltenen Klauen.“ Dies wird auch bewiesen durch das, was Abū Bakr Ibn Duraid[15] am Anfang seines Kapitels (der Ǧamhara) über die Metapher sagt: „Die Araber sagen von einem Manne, wenn sie ihn herabsetzen wollen: Er kam zu uns, barfuß und mit gespaltenen Klauen“, worauf er diesen Vers zitiert. Wird aber diese Metapher nur da gebraucht, wo man jemanden herabsetzen und bemängeln will, so kann kein Zweifel sein, dass es sich um eine Metapher des Gedankens handelt. - Hierher gehört auch der Vers:

(Li-yabkika š-šarbu wal-mudāmatu wal- = fityānu ṭurran wa-ṭāmiʻun ṭamiʻā

Wa-ḏātu hidmin ʻārin nawāširuhā    tuṣmitu bil-māʼi taulaban ǧadiʻā)[16]

(„Beweinen soll sich der Zecher Schar und der Wein und alle edlen Jünglinge, und der begehrende Mann, der auf Gaben hofft), / und die Frau in Lumpen mit nackten Armsehnen, die mit Wasser stillt ein schlecht genährtes Eselein!“

Der Dichter braucht das Wort taulab, welches eigentlich das Eselsfüllen bezeichnet, für das Kind der Frau, weil er einen Zustand von Not und Elend beschreiben will und von einer notleidenden, armen Frau spricht. In solchen Fällen benutzt man zur Schilderung gern Eigenschaften von Tieren, um den elenden Zustand und das Heruntergekommensein recht anschaulich zum Ausdruck zu bringen. - Genau so ist der Vers:

Wa-ḏakartu ahliya bil-ʻarā = ʼi wa-ḥāǧata š-šuʻṭi t-tawālib[17]

„Und ich dachte an mein Weib auf nackter Steppe und an die Not der Eselein mit wüstem, verstaubtem Haar“.

Der Dichter will hier gleichsam sagen: „an die Kinder mit wüstem, verstaubtem Haar, die du, wenn du sie sähest, für Eselsfüllen halten würdest wegen ihres staubigen und vernachlässigten Zustandes.“ Das Wort al-ǧadiʻu in dem vorigen Verse ist mit d (nicht ) zu lesen. Unser seliger Scheich[18] erzählte: Mufaḍḍal rezitierte ihn so: tuṣmitu bil-māʼi taulaban ǧaḏaʻā „die mit Wasser stillt ein junges Eselein“. Das beanstandete Aṣmaʻī und sprach: Es heißt: tuṣmitu bil-māʼi taulaban ǧadiʻā „die mit Wasser stillt ein schlecht genährtes Eselein“. Da find Mufaḍḍal an zu schreien, aber Aṣmaʻī sprach: „Und wenn du in die Posaune stößest, so wird das gar nichts nützen. Sprich lieber mit der Sprache der Insekten, aber machs richtig!“

Und auch der Ausspruch jenes Beduinen: „Nun, und wie geht es dem Gazellchen und seiner Mutter?“ gehört zu der etwas ausdrückenden Art (der Metapher), denn es wird dort ein Vergleich des Neugeborenen mit einem Gazellenjungen angedeutet; sagt er es doch, als er nicht mehr böse, sondern wieder gut ist, und nachdem der wütende Hunger gestillt ist, der ihn veranlasst hatte zu sagen: „Was soll ich damit? Soll ich es essen oder soll ichʼs trinken?“ so dass seine Frau sagte: „Hunger hat er! Macht ihm Datteln mit Dickmilch zurecht!“[19] – In dem Verse:

(Wa-qad ġadautu wa-qarnu ṣ-ṣubḥi munfatiqun

wa-dūnahū min sawādi l-laili taḥlīlu)

Iḏ ašrafa d-dīku yadʻū baʻḍa usratihī           ʻinda ṣ-ṣabāḥi wa-hum qaumun maʻāzīlu

(Ilā t-tiǧāri …)[20]

„(Und ich ging in der Frühe, als das Horn des Morgens (Zodiakallicht) durchbrechen wollte und vor ihm noch eine Decke von schwarzer Nacht war), als der Hahn im Morgengrauen von oben herab einen Teil seiner Sippschaft aufrief - und sie sind doch ein waffenloses Volk - / (zu den Weinhändlern …)“

ist die Metapher „ein Volk“, wenn sie auch zunächst nicht mehr zu besagen scheint als „Schar“, ebenfalls etwas ausdrückend, weil der Dichter ihnen den Anschein von vernunftbegabten Wesen geben will. Genau genommen freilich gehört der Ausdruck nicht zu dem Gegenstand des gegenwärtigen Kapitels, weil der Dichter vor Heranziehung jenes eigentlich nur für Menschen passenden Nomens (qaum „Volk“) die Tiere bereits vorher durch das Pronomen für vernünftige Wesen (hum) in den Rang von vernunftbegabten Wesen erhoben hat, so dass der folgende Ausdruck „Volk“ nunmehr als nichtmetaphorisch anzusprechen wäre. – Das Gegenstück hierzu liegt vor, wenn du sagst: Aina l-usūdu ḍ-ḍāriya „Wo sind die reißenden Löwen?“ und damit eine Schart von tapferen Leuten meinst. Dann musst du dem Adjektiv die für unvernünftige Wesen passende Form geben und sagen: aḍ-ḍāriya und nicht: aḍ-ḍārūn, weil du ja deine Rede darauf angelegt hast, als ob du von wirklichen Löwen redetest. – Ebenso ist es bei dem Vers des Mutanabbī:

Zuḥalun ʻalā anna l-kawākiba qaumuhū

lau kāna minka la-kāna akrama mašʻarā[21]

„Wenn Saturn, obwohl sein Volk die Sterne sind, von deinem Stamme wäre, so würde er noblere Sippschaft haben.“

Hier geht freilich kein Wort vorher, welches, entsprechend dem wa-hum in dem vorigen Verse, die Sterne in die Kategorie der vernünftigen Wesen versetzen würde, aber der Zusammenhang zeigt implizite ebenso deutlich, als das explizite geschehen könnte, dass der Dichter beabsichtigt, die Sterne in diesen Rang zu erheben. Denn in welcher Hinsicht der Gefeierte gepriesen wird, das ergibt sich gerade erst daraus, dass den Sternen menschliche Zustände und Erkenntnisse zugeschrieben werden; und, wie die Worte: „dann würde er noblere Sippschaft haben“ beweisen, bezieht sich die Rangvergleichung auf gedankliche Eigenschaften. Niemals aber kann eine edle gedankliche Eigenschaft oder Noblesse im üblichen Verstande den Sternen zugeschrieben werden, solange man sie nicht als mit Vernunft und Einsicht begabte Wesen hinstellt. Bezöge sich die Rangvergleichung auf das Licht, den Glanz, die Höhe des Standortes und dergleichen, so würde diese Behauptung nicht zwingend sein. Aber diese Art, ich meine die Umdeutung unvernünftiger Wesen in vernünftige, erfordert eine Sonderbehandlung in einem Kapitel für sich, das wir vielleicht an seiner Stelle noch bringen werden mit Gottes Willen und Beistand.

 Aus „Die Geheinisse der Wortkunst (Asrār al-Balāġa)“ von ʻAbdalqāhir al-Ǧurǧānī. Aus dem Arabischen übersetzt von Hellmut Ritter. Wiesbaden: Steiner, 1959. Eine vollständige druckgetreue PDF findet sich hier: https://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/ssg/content/titleinfo/719887 Für die Online-Version neu bearbeitet.

[1] Das Diktum stammt nach Ibn al-Muʻtazz, Badīʻ 6, 9 von Ibrāhīm an-Naḫaʻī, das ist der „Nachfolger“ Ibrāhīm ibn Yazīd ibn Qais aus dem Stamme der Naḫaʻ, der sich in Kufa angesiedelt hatte und 95 oder 96 h gestorben ist. Er war Theologe und höchste juristische Autorität von Kufa. Der hier zitierte Spruch findet sich nicht in den Biographien; der Scheich wird ihn dem Kitāb al-Badīʻ des Ibn al-Muʻtazz entnommen haben, gegen welchen er hier offenbar polemisiert.

[2] Anfang einer Qaṣīde des bekannten vorislamischen Dichter Zuhair ibn Abī Sulmā.

[3] Der Spruch ist sicherlich dem Kitāb al-Badī 6, 11f. entnommen.

[4] Sehr berühmter Vers des bekannten vorislamischen Dichters an-Nābiġa, aus einem seiner berühmten Entschuldigungsgedichte (iʻtiḏārīyāt), mit welchen er die verscherzte Gunst des letzten Laḫmiden von Ḥīra, Abū Qābūs Nuʻmān, wieder zu gewinnen versuchte.

[5] Aus einer urǧūza des berühmtesten der sogenannten Raǧazdichter, die ihre Ehren darin suchten, möglichst seltene Worte zu gebrauchen, was die Lektüre ihrer literarischen Produkte, besonders wenn man sie, wie Ahlwardt für gut befunden, ohne die Glosse abdruckt, zu einem etwas bemühenden Geschäft macht.

[6] Aus der Lāmīya des Raǧazdichters Abū n-Naǧm.

[7] In Wirklichkeit aus der gleichen Lāmīya des Abū n-Naǧm.

[8] Von Abū Duʼād Ǧāriya ibn al-Ḥaǧǧāǧ al-Iyādī. Er ist der älteste Vertreter der Ḥīrensischen Schule der vorislamischen Poesie. Er war Marschalk des Fürsten al-Munḏir ibn Māʼassamāʼ von Ḥīra (505-554 A. D.) und lebte ungefähr von 480-540 oder 550 A. D.

[9] Wir wissen nicht, gegen wen der Scheich hier polemisiert. Vielleicht gebrauchte der betreffende Ausdrücke wie maǧāzāt al-ʻArab? Er polemisiert ferner gegen Leute, die den von den Literarkritikern des 4. Jahrhunderts der h. mit Eifer betriebenen Sport des Aufspürens von literarischen Abhängigkeiten bei Dichtern, von „Diebstählen“, auch auf allgemein gebräuchliche und daher jedermann zur Verfügung stehende Metaphern ausdehnten.

[10] Erste Hälfte eines Verses des Huḏailitendichters Usāma ibn al-Ḥāriṯ, in welchem die Menschenleere, nur durch Tiere belebte Wüste geschildert wird. Der Hauptinhalt der Qaṣīden dieses Dichters ist im Übrigen der Protest gegen die Teilnahme an den großen Eroberungen, zu denen sich die jungen Leute seines Stammes drängten.

[11] Ein von Sībawaih und den Grammatikern nach ihm als Beispiel für die Ellipse des ism, wenn man zinǧiyyan, oder, wenn man zinǧiyyun liest, das ḫabar von lākinna behandelter Vers des bekannten Dichters der Umayyadenzeit. Die Ellipse ist sicherlich beabsichtigt. Mir scheint die des Prädikats besser, weil dann der Satz nicht zum Abschluss kommt: „Aber ein kamellipiger Neger…?“ Aber unser Gefühl ist ja nicht ausschlaggebend.

[12] Aus einer der Qaṣīden, in welchen Ḥuṭaiʼa die „Kamelsnasen“ lobt und den Zibriqān schlecht macht, stammt unser Vers.

[13] Der Vers und die dazugehörigen folgenden stammen nicht von Muzarrid, sondern wie der Herausgeber Ṣināʻatain S. 121 richtig bemerkt, von Ǧubaihāʼ al-Ašǧaʻī, das ist Yazīd ibn Ḫaiṯama, einem Beduinendichter der Umayyadenzeit, welcher sein Leben im Ḥiǧāz verbrachte und weder an den Eroberungen teilnahm noch die Höfe der Kalifen besuchte.

[14] Der Dichter ist ʻUqfān ibn Qais al-Yarbūʻī, ein sonst nicht weiter bekannter Dichter der Heidenzeit.

[15] Abū Bakr Ibn Duraid ist der im Jahre 321/933 gestorbene Grammatiker, Lexikograph und Dichter. Das zitierte Buch ist die Ǧamhara fī l-luġa.

[16] Aus einem der ältesten und schönsten Trauerlieder der altarabischen Dichtung. Der Dichter, Aus ihn Ḥaǧar, soll bis zum Auftreten an-Nābiġa’s und Zuhair’s der Dichter der Muḍar gewesen sein.

[17] Der Dichter, Ḥabīb ibn ʻAbdallāh aus dem Stamme der Ḥuḏailiten, wegen einer Lippenspalte „der mit dem Abzeichen“ al-Aʻlam geheißen, wandert mit einem Gefährten an einem glühend heißen Sommertage durch die Wüste. Als sie zu dem Berge Siṭāʻ kommen, anderthalb Tagereisen südlich von Mekka, hat sie der samūm so ausgedörrt, dass sie vor Durst die Augen nicht aufmachen können. Der Aʻlam sagt zu seinem Gefährten: Trink du das Wasser im Schlauch und warte hier auf mich! Ich will sehen, dass ich zu dem Brunnen komme und mich dort satt trinke. Der Brunnen ist besetzt von den Banū ʻAbd ibn ʻAdī von den Kināna. Die sitzen im Schatten, einen Steinwurf weit von dem Brunnen entfernt. Der Aʻlam verhüllt sich das Gesicht, um nicht erkannt zu werden, legt Schwert, Bogen und Pfeile ab und gelangt zu dem Brunnen, zunächst von den ʻAbd unbelästigt. Am Brunnen trinkt er sich satt und gießt sich Wasser auf den heißen Kopf. Der Sklave, der ihn dabei beobachtet hat, wird von seinem Herrn gefragt, ob er den Mann erkannt habe. Er sagt: Nein! aber der Mann hat eine gespaltene Lippe. Da rufen sie: Das ist der Aʻlam! und schicken ihren besten Läufer, Ǧaṯīma, dem fliehenden Dichter nach. Dieser lässt sich aber nicht einholen, nimmt seine abgelegten Waffen an sich und entwischt seinen Feinden samt seinem Gefährten. Er hat aber ziemliche Angst ausgestanden. Dies Erlebnis schildert er in der Qaṣīde, aus welcher der Vers stammt. Er schildert, welche Angst er gehabt habe, erschlagen und eine Beute der wilden Tiere zu werden. Dabei denkt er an Frau und Kind daheim, die auf ihren Ernährer warten. Das gleiche Thema behandelt auch die nächste seiner Qaṣīden.

[18] Der Scheich Ǧurǧānī’s ist Muḥammad ibn Ḥusain al-Fārisī, Neffe des berühmteren Grammatikers Abū ʻAlī al-Fārisī.

[19] Der Beduine ist der durch seine Langlebigkeit, seiner Rednergabe und seine genealogischen Kenntnisse berühmte Ibn Lisān al-Ḥummara, der kurz vor dem Islam geboren wurde.

[20] Vers 67 der Lāmīya des ʻAbda ibn aṭ-Ṭabīb Yazīd von den ʻAbd Nuhm, einem Unterstamm der ʻAbšams.

[21] Als Mutanabbī sich auch mit seinem zweiten großen Mäzen, Kāfūr, dem Verweser des Iḫšīdidenreiches, wegen Nichterfüllung seiner ehrgeizigen Wünsche überworfen hatte, begab er sich heimlich nach dem Irak. Dort wurde er von dem Būyidenvezir Ibn al-ʻAmīd, der damals in Arraǧān in Fārs weilte, eingeladen. Er folgte der Einladung und langte in Arraǧān im Ṣafar 354/Februar 965 an. Noch am Tage der Ankunft rezitierte er die Qaṣīde, deren Schlussvers der Scheich hier zitiert.

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